Im Rahmen der letzten Mitgliederversammlung der BLO fand ein Round-table-Gespräch statt. Hier hatten Mitglieder und Gäste die Gelegenheit wahrgenommen, den Stadtbürgermeisterkandidaten Helmut Krethe zu interviewen. Nach einem Rückblick auf das letzte Jahr ging es im Wesentlichen um die von Helmut Krethe skizzierten Ideen für die Zukunft.
BLO: Herr Krethe, warum kandidieren Sie für das Amt des Stadtbürgermeisters?
Krethe: Es sind viele Bürger auf mich zugekommen, die mich gebeten haben zu kandidieren, weil ich im vergangenen Jahr fünf Monate Interims-Stadtchef war und in dieser Zeit gute Arbeit geleistet habe. Meine ruhige und aufrichtige Arbeit wird geschätzt. Ich bin als gelernter Verwaltungsbeamter auch vom Fach. Als ehem. stellv. Ordnungsamtsleiter der Stadt Langen (Niedersachsen), stellv. Amtsleiter der Ev. Kirchenverwaltung in Bremerhaven und VG-Chef im sachsen-anhaltinischen Erxleben habe ich Erfahrungen in Leitungsfunktionen, die in dem Stadtbürgermeisteramt förderlich sind.
BLO: In Ihrer Zeit als Interims-Stadtchef wurde auch öffentlich diskutiert, der Stadt Oppenheim einen sogenannten „Staatskommissar“, also einen Aufpasser beizuordnen, der dann über die Geschicke der Stadt bestimmen sollte. Wie bewerten Sie die Situation von damals?
Krethe: Ja, die Diskussion gab es. Die Landrätin hatte damals in einer Pressekonferenz mit einem Staatskommissar gedroht, wenn ich denn meine Hausaufgaben nicht machen würde. Ich habe von dieser Drohung vom SWR erfahren und am nächsten Tag war das auch in der Süddeutschen Zeitung zu lesen. Ich kritisiere, dass die Landrätin nicht einmal das persönliche Gespräch hierzu mit mir gesucht hat. Ich danke Innenminister Roger Lewentz, der mir in einer Innenausschusssitzung des Landtages sein Vertrauen ausgesprochen hat. Ich denke, ich konnte dieses Vertrauen rechtfertigen. Ich habe vom ersten Tag der vertretungsweisen Amtsübernahme daran gearbeitet, den Vorgaben des Landesrechnungshofs und der Kommunalaufsicht nachzukommen. In den von mir geleiteten Haupt- und Finanzausschusssitzungen und Stadtratssitzungen habe ich Transparenz gezeigt und wir haben zusammen die ersten Schritte einer Haushaltskonsolidierung eingeleitet. Sämtliche mir vom Landesrechnungshof und der Kommunalaufsicht gesetzten Termine habe ich eingehalten und somit meine Hausaufgaben erledigt, so dass sich die Einsetzung eines „Staatskommissars“ erübrigte.
BLO: Haben Sie denn mal versucht mit der Landrätin ins Gespräch zu kommen?
Krethe: Ja, das hatte ich. Ich hatte um einen Gesprächstermin gebeten. Sie hat mir ausrichten lassen, dass ich zunächst weiter mit der Kommunalaufsicht sprechen sollte und sie erst dann zu einem Gespräch zur Verfügung stünde, wenn die Gespräche mit der Kommunalaufsicht aus meiner Sicht nicht zufriedenstellend ausgingen. Mit der Kommunalaufsicht hatte ich konstruktive Gespräche führen können. Ich hatte immer den Eindruck, dass es auf beiden Seiten Verständnis für die jeweils andere Position gab. Letztendlich gab es Kompromisse und durchaus zufriedene Gesprächsergebnisse.
BLO: Der amtierende Stadtbürgermeister Jertz hatte sich im Vorfeld der letzten Bürgermeisterwahl als Brückenbauer bezeichnet. Hat er aus Ihrer Sicht Brücken gebaut?
Krethe: Ich meine, dass das nicht der Fall war. Vom Brückenbauen hatte er sich bereits am Wahlabend verabschiedet, indem er auf eine Frage der AZ, was er den mehr als 300 Wählern sagt, die ihn nicht gewählt haben, antwortete, dass er sich mit ihnen unterhalten wolle, wenn sie denn auf ihn zukämen. Ein Bürgermeister muss auf die Menschen zugehen, nicht andersherum. Dann hatte er bereits im Vorfeld seiner Wahl Gespräche mit den Stadtratsfraktionen geführt mit Ausnahme der SPD-(Alt)Fraktion. Wenn man sich selbst zum Brückenbauer ernennt, dann muss man mit allen im Stadtrat vertretenen Fraktionen sprechen. Was anders hätte denn das Brückenbauen für einen Sinn? Der amtierende Bürgermeister ist Administrator des Blogs „Mein Oppenheim“ auf Facebook. Hier wurde in der Vergangenheit viel Hetze gegen mich und andere Personen getrieben, ohne dass der amtierende Bürgermeister dagegen eingeschritten ist. Außerdem werden in dieser geschlossenen Gruppe nur handverlesene Personen zugelassen, die zu einem beträchtlichen Teil gar keine Oppenheimer Bürgerinnen und Bürger sind. Personen, die eine andere Meinung vertreten, werden erst gar nicht in diese Gruppe aufgenommen bzw. schnell wieder gelöscht. Brückenbauen sieht für mich anders aus.
BLO: Nach der Amtseinführung des amtierenden Bürgermeisters haben Sie Ihren Tourismus-Geschäftsbereich an den Bürgermeister abgeben müssen.
Krethe: Er wollte den Geschäftsbereich haben und das ist auch sein gutes Recht. Allerdings hat er in diesem Geschäftsbereich bislang nichts geleistet. Mehrere von ihm avisierte Termine für Ausschusssitzungen hat er ohne Angabe von Gründen gestrichen. Erst am 21. Februar fand eine gemeinsame Sitzung der Ausschüsse Kultur und Bildung mit dem Tourismusausschuss statt. Allerdings blieb aufgrund fortgeschrittener Zeit keine Zeit mehr für eine Diskussion zum Thema Tourismus. Bezüglich der Weiterentwicklung des Tourismus waren das bislang neun verlorene Monate. Auch vermisse ich bis jetzt Vorschläge des amtierenden Bürgermeisters zu diesem Thema, insbesondere aufgrund der erschreckend zurückgegangenen Besucherzahlen zum Untergrund.
BLO: Bleiben wir beim Tourismus. In Nierstein wird es ab Ende diesen Jahres einen virtuellen Stadtrundgang mittels QR-Codes geben. War das nicht auch für Oppenheim geplant?
Krethe: Ja, das ist richtig. Mit diesem Projekt der QR-Codes sind wir unter meiner Leitung im Herbst 2016 angefangen, dies zu konzipieren. Der Tourismusausschuss hat einen Arbeitskreis gebildet, der auch vom Stadtrat gebilligt wurde. Achim Schiff hat in langer Arbeit Texte zu unseren Sehenswürdigkeiten geschrieben. Mit den ersten Schritten der technischen Umsetzung sollte ab der zweiten Jahreshälfte 2018 begonnen werden. Der amtierende Stadtbürgermeister hat dann den Geschäftsbereich übernommen und auch an diesem Projekt nicht weitergearbeitet.
BLO: Werden Sie an dem Projekt festhalten?
Krethe: Auf alle Fälle. Dies ist ein Mehrwert im touristischen Gefüge unserer Stadt.
BLO: Was sind Ihre Vorhaben für die nächste Wahlperiode, so Sie denn in das Amt des Stadtbürgermeisters gewählt würden?
Krethe: Die mich tragende politische Gruppierung ist die Bürgerliste Oppenheim (BLO). Dementsprechend gilt das Wahlprogramm der BLO auch für mich als Stadtbürgermeisterkandidat, zumal ich am Wahlprogramm auch mitgearbeitet habe, was sich derzeit in der finalen Ausformulierung befindet und im April veröffentlicht werden wird. Ganz wichtig ist, dass die Schritte der Haushaltskonsolidierung, die unter meiner Führung vor einem Jahr eingeleitet wurden, fortgesetzt werden. Die Finanznot zwingt Kommunen wie Oppenheim, neue Wege zu versuchen. Hierzu gehört mein Vorschlag, eine Zusammenlegung der Bauhöfe von Oppenheim, Nierstein und Dienheim im Wege einer interkommunalen Zusammenarbeit zu prüfen. In einem zu erstellenden Gutachten müsste die Effizienzsteigerung festgestellt und dann in einem nachfolgenden Change-Management-Prozess die Umsetzung operativ begleitet werden, wobei die Mitarbeiter der genannten Bauhöfe in den Prozess der Zusammenlegung voll mit einbezogen werden müssen. Voraussetzung ist natürlich zunächst einmal ein Grundsatzbeschluss der Stadträte von Oppenheim und Nierstein sowie des Gemeinderats Dienheim. Ich bin davon überzeugt, dass es Synergieeffekte gibt, die wir gemeinsam nutzen sollten. Ich darf daran erinnern, dass bereits der Landesrechnungshof im Jahr 2013 in seinem Kommunalbericht eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit der Bauhöfe in Rheinland-Pfalz gefordert hat. In diesem Zusammenhang wäre auch zu prüfen, ob für den Change-Management-Prozess Fördermittel des Landes generiert werden können, so wie es auch das Land Hessen macht.
Die Barrierefreiheit ist ein wichtiges Thema für Oppenheim. Wir müssen Ideen finden, mobilitätseingeschränkten Bürgerinnen und Bürgern eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Oppenheim zu ermöglichen.
Für unsere Senioren brauchen wir eine Begegnungsstätte. Dank der städtischen Seniorenbeauftragten Brigitte Werner haben wir aktive Seniorinnen und Senioren, die sich körperlich und geistig fit halten wollen. Dies muss weiter unterstützt werden.
Wenn ab dem nächsten Jahr die Umbaumaßnahmen an der B9/B420 beginnen werden, werden Berufstätige früher als bisher aufbrechen um zu ihren Arbeitsstätten zu gelangen und möglicherweise abends später heimkommen. Das bedeutet, dass wir als Stadt an familienfreundliche Öffnungszeiten der Kindertagesstätten denken müssen.
Die Festspiele oder nun auch Theatertage genannt, müssen auf andere Füße gestellt werden. Das Konzept muss überdacht werden. Auch denke ich daran, das Staatstheater Mainz für ein Gastspiel in Oppenheim zu gewinnen.
Um die kulturelle Attraktivität Oppenheims zu erhöhen werde ich mich dafür einsetzen jährlich am 21. Juni nach französischem Vorbild eine"Fête de la musique" mit Nachwuchskünstlern anzubieten. Auch sollte wieder der Tag der ausländischen Mitbürger gefeiert werden. Zu denken wäre auch an Veranstaltungen am Strandbad wie z.B. Lichterfeste, Mitsommernacht, Musikveranstaltungen.
Der Tourismus ist ein wesentlicher Bestandteil in der Stadt Oppenheim. Die im letzten Jahr dramatisch zurückgegangenen Besucherzahlen im Untergrund sind ein Alarmsignal. Der Geschäftsführer der Tourismus-GmbH muss zu den Bustouristikern fahren und dort Werbung für die Destination Oppenheim machen. Einige Führungen sollten modernisiert werden, wie z.B. eigenständige Stadtführungen mit einer App, oder eine elektronische Schnitzeljagd. Die Helmabgabe nach Untergrundführungen müsste in der Touristinfo stattfinden, damit die Besucher auf unsere Souveniere aufmerksam gemacht werden können. Dann wäre zu prüfen, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, damit auch Oppenheim mit dem Titel Wanderbahnhof werben kann.
Hinsichtlich des „Paradieses“ teile ich die Auffassung von Frau Degünther, wonach das Paradies begeh- und erlebbar sein soll. Das Paradies soll sowohl ein Ort für Tiere und Pflanzen als auch ein Ort für Menschen sein, die sich dort gern aufhalten. Mit Frau Degünther als Fachfrau zusammen mit der Gruppe Lilofee, der Stadt und der Verbandsgemeinde sollten wir zusammen überlegen, wie die Fläche künftig als Grün- und Erlebnisraum gestaltet werden kann.
Der Welschdorfgarten soll zu neuem Leben verholfen werden. Er soll verschiedene Nutzungsfunktionen erfüllen, und zwar als Begegnungsstätte zum Flanieren, als Veranstaltungsraum, aber auch als Ort der Stille und Meditation. Zur Neugestaltung des Welschdorfgartens hat die ehemalige Studentin Katharina Nauth einen Planentwurf erarbeitet, den sie vor einigen Jahren im Geschichtsverein vorgestellt hat. Auch der Tourismusausschuss hat den Planentwurf positiv zur Kenntnis genommen. Daran sollten wir uns orientieren.
Wenn das Takko/Deichmann-Gelände nicht für den Bau eines neuen VG-Verwaltungsgebäudes benötigt wird, dann sollte dieses Objekt zu einer Gastronomie mit einem Bowling- und Kegelcenter umfunktioniert werden. Ersatzweise könnte eine solche Freizeiteinrichtung, für die ich in unserer Verbandsgemeinde durchaus einen Bedarf sehe, im Krämereck-Süd entstehen.
Die Vereinsförderung wird auch unter meiner Verantwortung fortgeführt werden. Das Engagement der Vereine muss weiter unterstützt werden, denn das, was die Vereine für den Zusammenhalt in unserer Stadt tun, kann der Staat niemals leisten. Insbesondere soll die Landskronhalle den Vereinen wieder zugänglich gemacht werden.
Vorstellen kann ich mir auch einen professionell zu betreibenden Trödelmarkt, der regelmäßig in Oppenheim stattfinden sollte.
Ich spreche mich gegen einen Hochkreisel am Nordrand der Stadt und gegen eine Rheinbrücke in unserem Bereich aus. Der öffentliche Personennahverkehr ist zu stärken durch z.B. längere Züge im Berufsverkehr und kürzere Tacktungen im Fahrplan.
BLO: Im Rahmen des Spardiktats haben Sie im vergangenen Jahr den Vorschlag gemacht, das Oppenheimer Wäldchen zu verkaufen, um jährliche Kosten von ca. € 40.000 einzusparen.
Krethe: Für diesen Vorschlag gab es ordentlich Schelte gegen mich. Der Stadtrat hatte seinerzeit entschieden, das Wäldchen nicht zu verkaufen, sondern es in städtischer Hand zu belassen. Das habe ich akzeptiert und verfolge den Vorschlag nicht weiter. Ich weiß, dass das immer wieder hochkocht, bin mir aber sicher, dass dies dem Wahlkampf geschuldet ist. Nochmal: das Wäldchen wird nicht verkauft und bleibt in städtischer Verantwortung. Dies müsste jetzt klargestellt sein. Andererseits gibt es bei mir keine Denkverbote. Jeder muss Vorschläge machen dürfen und darüber muss man dann sachlich diskutieren.
BLO: Sie selbst haben im Mai letzten Jahres zu einer Zusammenkunft der Vereine eingeladen um mit ihnen über die Fortführung des Weihnachtsmarktes zu sprechen. Was hatten Sie sich erhofft?
Krethe: Die Verantwortlichen der Firma Historica Vagantis, die bislang Betreiberin des Mittelalter-Märchenweihnachtsmarktes war, hatte mir Ende April 2018 mitgeteilt, dass sie den Weihnachtsmarkt in Oppenheim nicht mehr veranstalten werden. Dieser Rückzug war dem Umstand geschuldet, dass Bauhofleistungen auf Geheiß des Landesrechnungshofs nunmehr den Veranstaltern in Rechnung gestellt werden müssen. Die Gewinnmarge wäre für die betreibende Firma so gering, dass sich ein Engagement in Oppenheim für sie nicht mehr lohnen würde. Da ich nicht wollte, dass in einer Stadt wie Oppenheim der Weihnachtsmarkt entfällt, kam ich auf die Idee, die Vereine zu fragen, ob unter Mitwirkung unserer örtlichen Vereine ein Weihnachtsmarkt auf die Beine gestellt werden kann. Die Reaktion auf dieser Versammlung war überwältigend. Es wurden innerhalb weniger Minuten so viele Vorschläge gemacht, die für die Ausrichtung von drei Weihnachtsmärkten gereicht hätte. Ich bin froh, dass letztendlich der Weihnachtsmarkt dank unserer örtlichen Vereine stattfinden konnte. Was ich nicht in Ordnung fand, ist die Kostenbeteiligung der Vereine am Weihnachtsmarkt. Wenn die Vereine uns durch ihre Mitwirkung den Weihnachtsmarkt retten, dann dürfen wir von ihnen keine Kostenbeteiligung verlangen, noch nicht mal € 50,-- . Als Stadtbürgermeister werde ich von einer solchen Kostenbeteiligung der Vereine absehen.
BLO: Was möchten Sie uns noch abschließend sagen?
Krethe: Als Stadtbürgermeister sehe ich mich als Dienstleister und stehe in der Stadt für einen bürgerfreundlichen Verwaltungsstil mit verlässlichen Bürgersprechstunden und einer transparenten Informationspolitik. Jeder kann sich mit seinen individuellen Anliegen an mich wenden. Letzteres gilt natürlich auch schon jetzt.